Freuynde und Gaesdte
Freuynde und Gäsdte ist eine freie Theatergruppe aus Münster, die seit 1999 Theaterprojekte und Aufführungen von Stücken an "außergewöhnlichen Orten" realisiert.
Inhaltsverzeichnis
Das Konzept
Das "Außergewöhnliche" an den Schauplätzen der Inszenierungen von Freuynde und Gäsdte ist es, dass sie nicht für einen routinierten Theaterbetrieb geschaffen sind, dass sie aber eine "bestimmte Atmosphäre" aufweisen, die zu dem Stoff des Stückes passt. Zu diesem Konzept des location theater gehört es, dass für eine Aufführung Texte ausgewählt, überarbeitet, angepasst oder ganz neu geschrieben werden, um eine Einheit von Stück/Text, Inszenierung und Spielort herzustellen. Parallelen findet diese Art der Theaterarbeit in in-situ-Arbeiten in den bildenden Künsten, bei denen auch eine Einheit von Entstehensort, Entstehensprozess und dem Kunstwerk als solchem angestrebt wird.
Neben der Adaption und Bearbeitung von Stoffen der klassischen (Theater-)Literatur und von Klassikern der Moderne (G. Büchner, A. Dumas, F. Hölderlin, G. E. Lessing, F. Schiller, W. Shakespeare; K. Čapek, M. Duras, H. Müller, F. Pessoa, H. G. Wells u. a.) entstanden neue Texte und Stücke, die für einen bestimmten Aufführungsort geschrieben wurden. Die Stoffe dieser Texte können aus Verhörprotokollen (Der Totmacher, Leyden) oder Expeditionberichten (Die Farbe des Pols) stammen oder in einer Art "emotionaler Archäologie" auf Reisen der Mitglieder des Ensembles (u. a. nach Portugal, Lappland, Sibirien) erfahren und erarbeitet werden.
Autoren, Regie und Schauspieler
Produktiver "Hausautor" der Theatergruppe ist der Schriftsteller, Video-Filmer und Schauspieler Zeha Schröder, der sich zum Schreiben zumeist nach Norsjö in der nordschwedischen Provinz Västerbotten zurückzieht. Rund zwanzig Texte von ihm haben Freuynde und Gäsdte aufgeführt, nicht gerechnet die Bearbeitungen von Texten aus dem Fundus der Weltliteratur oder von protokollartigen Aufzeichnungen. Zu den klassischen Autoren, deren Stücke - und das müssen nicht unbedingt für das Theater verfasste Texte sein - adaptiert wurden, gehören Georg Büchner, Karel Čapek, Roald Dahl, Alexandre Dumas (père), Marguerite Duras, Friedrich Hölderlin, Gotthold Ephraim Lessing, Heiner Müller, Fernando Pessoa, Friedrich Schiller, William Shakespeare, Robert Louis Stevenson und H. G. Wells.
Die Regie in den meisten Produktionen hat Zeha Schröder ebenfalls übernommen. Daneben inszenierten Doro Aumayr, Frank Dukowski, Marcell Kaiser, Jan-Christoph Tonigs oder das ganze Ensemble einzelne Stücke.
Als Schauspieler traten in den Aufführungen u.a. Martin Achterkamp, Doro Aumayr, Frank Dukowski, Pitt Hartmann, Marcell Kaiser, Ursula de Miranda Fleming, Vera Molitor, Dirk Rademacher, Zeha Schröder, Komi Togbonou, Jan-Christoph Tonigs, ChrisTine Urspruch, Benedikt Vermeer und Irmhild Willenbrink auf.
Stücke, Projekte und Orte
- Lenz : Georg Büchners Novelle als "Theatergang" unter freiem Himmel und in "eisiger Luft". Premiere am 20. Januar 2000 am Prozessionsweg
- Romeo und Julia : Klassikerparodie nach William Shakespeare. "Vier ganze Kerle prügeln, saufen und singen sich durch einen Klassiker - und schrecken dabei auch vor den "Weiberrollen" nicht zurück". Premiere am 4. August 2002 in der Gaststätte Blaues Haus, Kreuzstraße 16/ 17
- Die grüne Tür, nach einer Erzählung von Herbert George Wells. Premiere am 29. Februar 2004 in der Knechtskammer eines ehemaligen Gehöfts außerhalb der Stadt. Die Zuschauer - nicht mehr als vier (!) in jeder Vorstellung - wurden von einem Chauffeur am Rosenplatz abgeholt und zu dem ihnen unbekannten Aufführungsort gefahren.
- R. U. R. von Karel Čapek : In dem 1920 entstandenen SF-Stücke rebellieren die bei "Rossum's Universal Robots" (R.U.R) massenhaft produzierten androiden Roboter und übernehmen die Herrrschaft. Premiere am 9. Juni 2004 im Technologiehof, Mendelstraße 11
- Die Lautmaschine nach Roald Dahls Kurzgeschichte. Premiere am 4. Oktober2004 im Botanischen Garten
- Die Räuber : Klassikerparodie nach Friedrich Schiller; Premiere am 2. März 2005 im Blauen Haus, Kreuzstraße 16/17
- Der Zauberer von Untz : eine moderne, "entrümpelte" Version von Frank Lyman Baums amerikanischem Märchenklassiker "Der Zauberer von Oz". Premiere am 4. August 2005 im Hörsterpark, Bohlweg / Piusallee
- 33 Tage : Solo-Stück nach Originaldokumenten und Jan Philipp Reemtsmas "Im Keller". Premiere am 30. November 2005 im Güterbahnhof, Hafenstraße 64
- Ich, Jekyll : Solo-Stück, in dem Robert Louis Stevensons Schauererzählung "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" sich mit den Memoiren des österreichischen Serienmörders Jack Unterweger verbindet. Premiere am 29. März 2006 im Anatomischen Hörsaal, Vesaliusweg 2
- Mocha Dick : die "wahre" Geschichte hinter Herman Melvilles Walfänger-Roman "Moby Dick". Premiere am 12. Juli 2006 in der Erlöserkirche, Friedrichstraße 10
- Dracula, nach Bram Stoker. Vierter Kneipentheaterklassiker. Premiere am 15. November 2006 im Blauen Haus, Kreuzstraße 16/17
- Morbus Inês : eine "emotionale Archäologie" nach den Motiven und Gefühlen der Protagonisten der portugiesischen Inês-Legende und der makabren Racheaktion des portugiesischen Thronfolgers Pedro an den Mördern seiner Frau Inês de Castro im 14. Jh. Premiere am 15. März 2007 im Zwinger an der Promenade.
- Die Englische Geliebte, nach Marguerite Duras . Irritierendes Porträt einer Schwesternmörderin; Premiere am 11. Juli 2007 im Blumenladen Blumen & mehr, Hammer Straße 98
- Feuer in Alexandria : Sophie ist eine Büchernärrin, jung, belesen und sie hat einen Plan - die Bibliothek muss brennen. Wenn da nicht drei etwas chaotische Feuerwehrleute wären, die versuchen zu retten, was zu retten ist. Premiere am 4. Oktober 2007 in der Diözesanbibliothek
- Nicht berühren! : Katastrophen in einem Kunstmuseum. Premiere am 11. März 2008 im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte am Domplatz 10 (zum 100. "Geburtstag" des Museums)
- tabula_rasa, nach Filippo Tommaso Marinettis Futuristischem Manifest von 1909 und Heiner Müllers Hamletmaschine von 1977. Premiere am 5. Juni 2008 in der Zeche Westphalen in Ahlen