Edith Stein
Edith Stein, Ordensname Teresia Benedicta a Cruce, (* 12. Oktober 1891 in Breslau; † 9. August 1942 im KZ Auschwitz-Birkenau) war zunächst wissenschaftliche Pädagogin, Frauenrechtlerin und wurde dann Ordensschwester. Sie wurde zunächst selig-, dann heiliggesprochen und ist Patronin der katholischen Edith-Stein-Gemeinde mit der St.-Erpho-Kirche und der St.-Pius-Kirche in Münster.Am Fronleichnamstag 2013 (30.Mai) wurde die Edith Stein Gemeinde mit Herz-Jesu, Konrad und Margareta zur Gemeinde Neu-St.Mauritz fusioniert. Die Kapelle in der Bildungsstätte Franz-Hitze-Haus in Münster trägt ebenfalls ihren Namen. Eine Statue am Collegium Marianum in der Frauenstraße erinnert an die 1942 Ermordete.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Familie und Ausbildung
- 2 Berufliche Orientierung
- 3 Kampf für Frauenrechte
- 4 Konversion zum katholischen Glauben
- 5 Berufstätigkeiten
- 6 Der Wechsel nach Münster
- 7 Judenverfolgung und Konsequenzen
- 8 Die Entscheidung zum Karmeliterorden
- 9 Verfolgung und Tod
- 10 Bedeutung, Würdigung, Ehrungen
- 11 Literatur
Familie und Ausbildung
Edith Stein wurde 1891 als jüngstes von sechs Kindern einer jüdischen Kaufmanns-Familie in Breslau geboren. Im Alter von 14 Jahren zog sie für ein knappes Jahr zu ihrer Schwester nach Hamburg. Schon früh hatte sie ein kritisches Verhältnis zur jüdisch-orthodoxen Tradition ihrer Familie und bezeichnete sich zeitweise als Atheistin. Im Jahre 1911 bestand sie an der Victoriaschule in Breslau das Abitur. Anschließend nahm sie das Studium in den Fächern Philosophie, Psychologie, Geschichte und Germanistik in Breslau auf, das sie ab 1913 in Göttingen fortsetzte. Dort legte sie das Staatsexamen „pro facultate docendi“ in philosophischer Propädeutik, Geschichte und Deutsch ab. Hier begegnete sie dem Philosophen Edmund Husserl, der ihr Doktorvater wurde.
Berufliche Orientierung
Edith Stein absolvierte 1915 einen freien Rot-Kreuz-Dienst im Seuchenlazarett Mährisch-Weißkirchen und war danach kurze Zeit als Lehrerin in Breslau tätig. Am 3. August 1916 wurde sie an der Universität Freiburg i. Br. mit „Summa cum laude“ zum Dr. phil. promoviert aufgrund einer Dissertation zum Thema „Das Einfühlungsproblem in seiner historischen Entwicklung und in phänomenologischer Betrachtung". Im Anschluss daran war sie bis 1918 als Privatassistentin bei Edmund Husserl tätig. Ihr Versuch, sich an der Universität zu habilitieren, wurde abschlägig beschieden.
Kampf für Frauenrechte
Von 1919 bis 1923 war die hoch gelobte Philosophin gezwungen, sich frei als Wissenschaftlerin zu betätigen. Sie unternahm in der Folgezeit weitere Versuche zu einer Habilitation an den Universitäten Göttingen, Freiburg, Kiel und Breslau, die ebenfalls ergebnislos blieben. Diese bittere Erfahrung führte sie zum verstärkten Einsatz für Frauenrechte. Sie wandte sich schließlich mit einer Eingabe am 12. Dezember 1919 an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin und wehrte sich dagegen, dass die Reichsverfassung und die Habilitationsordnung nicht sachgerecht beachtet wurden. Der Minister gab ihr zwar am 21. Februar 1920 prinzipiell recht; dies veränderte allerdings nichts an ihrer individuellen Situation. Vorträge, Vorlesungen und Artikel waren z.B. „Der Eigenwert der Frau“, „Ethos der Frauenberufe". Immer wieder ging es ihr um Probleme der neuen Mädchenbildung, das Recht der Frau auf umfassende Bildung oder „Die Aufgabe der Frau als Führerin der Jugend zur Kirche".
Konversion zum katholischen Glauben
Es schmerzte die Mutter sehr, dass ihre eigenwillige Tochter schon früh den jüdischen Glauben aufgab. Nach der Lektüre der Autobiographie der Teresa von Avila ließ sich Edith Stein am Neujahrstag 1922 in der Pfarrkirche St. Martin in Bergzabern katholisch taufen und konvertierte somit vom jüdischen zum katholischen Glauben. Schon am 2. Februar desselben Jahres wurde sie in der Kapelle des Bischofs von Speyer gefirmt.
Berufstätigkeiten
Von 1923 bis 1931 war Edith Stein als Lehrerin am Mädchen-Gymnasium der Dominikanerinnen St. Magdalena in Speyer tätig. Während dieser Jahre war sie eine gefragte Referentin bei wissenschaftlichen Studientagungen und Kongressen in Deutschland und im Ausland, z.B. in Österreich, der Schweiz und in Frankreich. Ihre Themen waren vor allem philosophischer, pädagogischer und ethischer Natur. Wissenschaftlich beschäftigte sie sich besonders mit Thomas von Aquin, vom sie das Werk „Questiones de veritate“ ("Untersuchungen über die Wahrheit") ins Deutsche übersetzte.
Der Wechsel nach Münster
Die Philosophin pflegte zwischen 1927 und 1933 intensiven Kontakt zum Abt des Klosters Beuron; dieser bat sie, weiter öffentlich zu wirken und nicht in einen Orden einzutreten. 1932 wechselte sie vom Gymnasium in Speyer zum Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik nach Münster; hier blieb sie 17 Monate. Während dieser Zeit wohnte sie im Collegium Marianum, Frauenstr. 3, einem Wohnheim für studierende Ordensschwestern. Sie gehörte damit zur Kirchengemeinde Überwasser. Dem Münsteraner Philosophen Peter Wust (1884-1940) begegnete sie am 1. September 1930 bei den Salzburger Hochschulwochen, wo sie das viel beachtete Hauptreferat hielt.
Judenverfolgung und Konsequenzen
Als gebürtige Jüdin erhielt sie 1933 ein Lehrverbot und musste die Tätigkeit beim Institut aufgeben. Nachdem die Nationalsozialisten zum Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen, schrieb Edith Stein im April 1933 an Papst Pius XI. einen Brief mit der Bitte um eine Audienz. Darin machte sie auf den Judenhass und Vernichtungskampf gegen Juden in Deutschland aufmerksam mit dem Ziel einer päpstlichen Enzyklika. Darin hieß es u.a.: „wir alle fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält". Der päpstliche Sekretär Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., teilte dem Erzabt Raphael Walzer von Beuron mit, der Brief sei dem Papst pflichtgemäß vorgelegt worden. Zu erkennbaren Konsequenzen führte er aber nicht. Erst 2003 wurde dieser Brief im vatikanischen Archiv freigegeben.
Die Entscheidung zum Karmeliterorden
Edith Stein fand am 20. April 1933 in der St.-Ludgeri-Kirche in Münster Klarheit über ihre Berufung zum kontemplativen Orden der Karmeliterinnen. Im pfarramtlichen Zeugnis der Überwasser-Gemeinde Münster vom 13. Juni 1933 charakterisiert der Pfarrer Höping ihre große Frömmigkeit und tiefste Religiosität. Der Eintritt in den Orden erfolgte am 14. Oktober 1933 in Köln, die Einkleidung war am 15. April 1934. Dabei nahm sie den Namen Teresia Benedicta a Cruce (die vom Kreuz Gesegnete) an. Zwei Jahre später folgte ihre Schwester Rosa auf diesem Weg. Nachdem sie am 21. April 1938 die Ewige Profess abgelegt hatte, blieb sie dort bis zur Pogromnacht am 9. November 1938. Danach siedelte sie zusammen mit ihrer Schwester Rosa zu ihrem eigenen Schutz wie auch zum Schutz des Kölner Karmel am Sylvestertag 1938 in den Karmel nach Echt in die niederländische Provinz Limburg über.
Verfolgung und Tod
Auch hier war die Gefahr einer Verfolgung nicht gebannt. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande begann man auch dort mit der Deportation von Juden. Der Karmel bemühte sich um einen Wechsel seiner Schwestern von Echt nach Le Pâquier im Schweizer Kanton Fribourg. Durch erheblichen Zeitaufwand für die Beschaffung von Dokumenten und Unterkünften kam es dazu jedoch nicht mehr. Der Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart wurde von christlichen Vertretern gebeten, die Verfolgung der Juden einzustellen und die getauften Juden zu verschonen. Er ließ sich zunächst darauf ein, alle vor 1941 Getauften von einer Verfolgung auszunehmen, falls die Kirchen dies nicht öffentlich machten. Aber der Erzbischof von Utrecht, Johannes de Jong, veröffentlichte am 26. Juli 1942 einen Hirtenbrief über das Vorgehen der Deutschen gegen die Juden. Als Reaktion hierauf verhaftete die Gestapo 244 zum katholischen Glauben übergetretene frühere Juden. Dazu gehörten auch Edith und Rosa Stein. Sie wurden am 2. August 1942 von der Gestapo verhaftet und im Lager Westerbork interniert. von dort wurden sie am 7. August mit der Deutschen Reichsbahn nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort stand Edith den verzweifelten Mitgefangenen bei und nannte ihren erwarteten Tod ein „Sühneopfer für unser Volk". Am 9. August 1942 wurden sie und ihre Schwester Rosa in der Gaskammer ermordet. Edith Stein hatte schon in ihrem Testament vom 9. Juni 1939 eine privilegierte Rettung für sich abgelehnt: „Schon jetzt nehme ich den Tod, den Gott mir zugedacht hat, in vollkommener Unterwerfung unter Seinen heiligsten Willen mit Freuden entgegen".
Bedeutung, Würdigung, Ehrungen
Edith Stein wurde am 1. Mai 1987 von Papst Johannes Paul II. in Köln selig- und am 11. Oktober 1998 in Rom heiliggesprochen. Sie ist damit die erste katholische Märtyrin jüdischer Abstammung. Im Jahre 2000 erklärte man sie zusammen mit der Hl. Birgitta und der Hl. Katharina von Siena zur Patronin Europas. Ihr Gedenktag ist der 9. August.
Zahlreiche Schulen und Kirchen, der Karmel in Tübingen, Straßen und Kliniken wurden nach ihr benannt. Skulpturen wurden beispielsweise errichtet in Köln, Wachenheim, Landau, Berlin, Speyer, München und Münster. Eine Gedenkstätte besteht in Lambrecht (Pfalz). Die am 11. Oktober 2006 durch Papst Benedikt XVI. am Petersdom in Rom eingeweihte, 5,80 m hohe Skulptur aus weißem Carrara-Marmor ist umstritten. Die Heilige trägt hier sowohl ein christliches Kreuz als auch eine jüdische Thorarolle. Erwartungsgemäß führte diese Darstellung zu kontroversen Diskussionen, weil sie jüdische und christliche Symbole „unerträglich vermischt“ - so der Rabbiner Walter Homolka. Denn sie wurde ja nicht wegen ihres christlichen Glaubens ermordet, sondern weil sie Jüdin gewesen war. 2008 wurde Edith Stein auf Beschluss der Bayerischen Staatsregierung in die Ruhmeshalle Walhalla aufgenommen. In Göttingen wird der Edith-Stein-Preis an Persönlichkeiten, Gruppen und Institutionen verliehen, die sich grenzüberschreitend sozial engagieren. Die Literatur über sie und ihre Arbeit ist umfangreich; mehrere Filme dokumentieren ihre Stationen „eines ungewöhnlichen Lebens". Das Edith-Stein-Archiv wurde am 7. Februar 2010 in Köln eingeweiht. 1983 gab die Deutsche Bundespost schon eine Sonderbriefmarke mit ihrem Porträt heraus. In Münster erinnern das Edith-Stein-Kolleg am Kolde-Ring (Wohnheim für Studenten) ebenso an sie wie die Kapelle des Franz-Hitze-Hauses, die Edith-Stein-Straße, sowie eine Plakette und ein Gemälde (zusammen mit Niels Stensen) in der Ludgeri-Kirche. Auch eine fusionierte Kirchengemeinde (St. Erpho und St. Pius) wurde nach ihr benannt. Eine Statue steht im Innenhof des Collegium Marianum. Sie ist eine der Figuren der Skulptur „Golgotha der Gegenwart“ von Bert Gerresheim der am Horsteberg an der Nordseite des St.-Paulus-Doms. Zusammen mit Niels Stensen hat Edith Stein als Glaubenzeugin das Patrozinium der Glocke Nils Stensen und Edith Stein der St.-Lamberti-Kirche.
Literatur
Veröffentlichungen von Edith Stein (Auswahl)
- Edith-Stein-Gesamtausgabe in 25 Bänden, Freiburg-Basel-Wien 2000.
- Zum Problem der Einfühlung (d. i. Teil II/IV der unter dem Titel „Das Einfühlungsproblem in seiner historischen Entwicklung und in phänomenologischer Betrachtung“ eingereichten Abhandlung), Halle/Saale : Waisenhaus 1917 (zugleich Diss. Universität Freiburg 1916)
- Potenz und Akt. Studien zu einer Philosophie des Seins, 1931;
- Endliches und ewiges Sein : Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins; Louvain : Nauwelaerts 1950; (entstanden 1937)
- Kreuzeswissenschaft : Studie über Johannes a Cruce, Louvain : Nauwelaerts 1950
Literatur über Edith Stein
In zahlreichen Monographien und Zeitschriften-Beiträgen wird die Bedeutung der Philosophin und Heiligen ausführlich gewürdigt. Dazu nur wenige Beispiele:
- Elisabeth Lammers, Als die Zukunft noch offen war. Edith Stein - das entscheidende Jahr in Münster, Münster 2003;
- Hergard Schwarte, Edith Stein in Münster, ein Rundgang o.J.;
- Maria Amata Neyer, Edith Stein. Ihr Leben in Dokumenten und Bildern Würzburg, 2. Aufl. 1987;
- Elisabeth Endres, Edith Stein. Christliche Philosophin und jüdische Märtyrin München 1987;
- Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz, Unerbittliches Licht. Edith Stein, Philosophie, Mystik, Leben Mainz 1991;
- Norbert Huppertz, Der Brief der hl. Edith Stein Freiburg i. Br. 2010
- Wolfgang Gernert, Edith Stein fand in Münster ihre Berufung. In: Jahrbuch Unser Westfalen, Hamm 2011, S. 121/122