Timm Ulrichs: Unterschied zwischen den Versionen

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== Biographie ==
 
== Biographie ==
Timm Ulrichs verlebte die frühe Kindheit in Bremen. Die Mutter war Stenotypistin und der Vater, der in Südafrika geboren war und eine englische Mutter hatte, technischer Zeichner. Die Familie wurde 1943/44 nach Prenzlau evakuiert, bis die Russen kamen, floh dann in die amerikanische Zone. Die Mutter und vier Kinder schafften es bis ins Oldenburger Land, in die Nähe von Wildeshausen. In der Nähe von Dötlingen erlebten sie das Kriegsende mit. 1954 zog die Familie nach Bremen, wo Ulrichs 1959 das Abitur ablegte. Er begann anschließend ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Hannover, das er 1966 nach dem Vordiplom abbrach. Er war zunächst als freier Künstler aktiv, jobbte als Eisverkäufer und Tellerwäscher.
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'''Timm Ulrichs''' verlebte die frühe Kindheit in Bremen. Die Mutter war Stenotypistin und der Vater, der in Südafrika geboren war und eine englische Mutter hatte, technischer Zeichner. Die Familie wurde [[1943]]/44 nach Prenzlau evakuiert, bis die Russen kamen, floh dann in die amerikanische Zone. Die Mutter und vier Kinder schafften es bis ins Oldenburger Land, in die Nähe von Wildeshausen. In der Nähe von Dötlingen erlebten sie das Kriegsende mit. [[1954]] zog die Familie nach Bremen, wo '''Ulrichs''' [[1959]] das Abitur ablegte. Er begann anschließend ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Hannover, das er [[1966]] nach dem Vordiplom abbrach. Er war zunächst als freier Künstler aktiv, jobbte als Eisverkäufer und Tellerwäscher.
  
Bereits 1961 gründete Ulrichs eine „Werbezentrale für Totalkunst & Banalismus“ mit „Zimmer-Galerie & Zimmer-Theater“. 1969 kam eine „Kunstpraxis (Sprechstunden nach Vereinbarung)“ dazu. Da er mit Galeristen nicht zurechtkam, verkaufte er Plakate, Postkarten, Flugblätter und Drucksachen selbst. 1968 bezeichnete er sich selbst als „zu Unrecht verkanntes Genie aus Hannover“. „Künstler wird man durch Entschluss, nicht durch Talent“, bekannte Ulrichs am 6. September 1985 gegenüber dem Zeit Magazin.
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Bereits [[1961]] gründete '''Ulrichs''' eine „Werbezentrale für Totalkunst & Banalismus“ mit „Zimmer-Galerie & Zimmer-Theater“. [[1969]] kam eine „Kunstpraxis (Sprechstunden nach Vereinbarung)“ dazu. Da er mit Galeristen nicht zurechtkam, verkaufte er Plakate, Postkarten, Flugblätter und Drucksachen selbst. [[1968]] bezeichnete er sich selbst als „zu Unrecht verkanntes Genie aus Hannover“. „Künstler wird man durch Entschluss, nicht durch Talent“, bekannte '''Ulrichs''' am 6. September [[1985]] gegenüber dem Zeit Magazin.
  
Als selbsternannter „Totalkünstler“ ist Ulrichs seit 1959 aktiv. In diesem Jahr gründete Ulrichs die „Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus“ in Hannover, die zur Verbreitung, Entwicklung und Produktion von Totalkunst dienen sollte. Weiterhin erklärte er sich 1961 zum „ersten lebenden Kunstwerk“ und organisierte 1966 eine öffentliche „Selbstausstellung“ in Frankfurt am Main.Ulrichs war von 1969 bis 1970 Gastprofessor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und von 1972 bis 2005 Professor für Bildhauerei und Totalkunst an der [[Kunstakademie Münster]].
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Als selbsternannter „Totalkünstler“ ist '''Ulrichs''' seit [[1959]] aktiv. In diesem Jahr gründete '''Ulrichs''' die „Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus“ in Hannover, die zur Verbreitung, Entwicklung und Produktion von Totalkunst dienen sollte. Weiterhin erklärte er sich [[1961]] zum „ersten lebenden Kunstwerk“ und organisierte [[1966]] eine öffentliche „Selbstausstellung“ in Frankfurt am Main. '''Ulrichs''' war von [[1969]] bis [[1970]] Gastprofessor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und von [[1972]] bis [[2005]] Professor für Bildhauerei und Totalkunst an der [[Kunstakademie Münster]].
  
Seine erste Totalkunst-Retrospektive fand 1970 in Krefeld statt, sieben Jahre später war er Teilnehmer der Documenta 6 in Kassel. Große Einzelschauen fanden 1980 in Lüdenscheid, 1991 in Madrid und Recklinghausen, 2001 in Antwerpen (Plastik und Skulpturen) sowie 2002 in Hannover (Druckgrafik) statt.
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Seine erste Totalkunst-Retrospektive fand [[1970]] in Krefeld statt, sieben Jahre später war er Teilnehmer der Documenta 6 in Kassel. Große Einzelschauen fanden [[1980]] in Lüdenscheid, [[1991]] in Madrid und Recklinghausen, [[2001]] in Antwerpen (Plastik und Skulpturen) sowie [[2002]] in Hannover (Druckgrafik) statt.
  
Vom 28. November 2010 bis zum 13. Februar 2011 widmeten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover „dem Pionier der Konzeptkunst und selbst ernannten «Totalkünstler» Timm Ulrichs“ eine große Retrospektive unter dem Titel ''Betreten der Ausstellung Verboten''.
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Vom 28. November [[2010]] bis zum 13. Februar [[2011]] widmeten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover „dem Pionier der Konzeptkunst und selbst ernannten «Totalkünstler» '''Timm Ulrichs'''“ eine große Retrospektive unter dem Titel ''Betreten der Ausstellung Verboten''.
  
Im Januar 2020 wurde Ulrichs für sein Lebenswerk mit dem Käthe-Kollwitz-Preis geehrt. Unter dem Titel „Weiter im Text“ präsentierte die begleitende Ausstellung in der Akademie der Künste „einen viel zu kleinen Ausschnitt“ seines Œuvres. Eine weitere Ausstellung im März im Haus am Lützowplatz unter dem Motto „Ich, Gott und die Welt“ sollte in 100 Tagen um je eine Arbeit wachsen und so einen wirklichen Überblick über sein Werk vermitteln.
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Im Januar [[2020]] wurde '''Ulrichs''' für sein Lebenswerk mit dem Käthe-Kollwitz-Preis geehrt. Unter dem Titel „Weiter im Text“ präsentierte die begleitende Ausstellung in der Akademie der Künste „einen viel zu kleinen Ausschnitt“ seines Œuvres. Eine weitere Ausstellung im März im Haus am Lützowplatz unter dem Motto „Ich, Gott und die Welt“ sollte in 100 Tagen um je eine Arbeit wachsen und so einen wirklichen Überblick über sein Werk vermitteln.
  
Ulrichs ist verheiratet, seine Frau lebt in Berlin.
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'''Ulrichs''' ist verheiratet, seine Frau lebt in Berlin.
  
 
== Werk ==
 
== Werk ==
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'''Ulrichs''' arbeitet interdisziplinär. Er ist ein Vertreter von Neodadaismus, Body Art und Konzeptkunst. Ebenfalls beschäftigt sich '''Ulrichs''' mit Druckgrafik, dem Künstlerbuch und Performance-Kunst. Bekannt ist er darüber hinaus durch seine Beschäftigung mit der Sprache. '''Ulrichs''' setzt Tautologien, Paradoxien und Mehrdeutigkeiten in der Sprache künstlerisch um – z. B.: „''Am Anfang war das Wort am …''“ – sowie verbale Begriffe, meist in Form von Plastiken oder Installationen.
  
Ulrichs arbeitet interdisziplinär. Er ist ein Vertreter von Neodadaismus, Body Art und Konzeptkunst. Ebenfalls beschäftigt sich Ulrichs mit Druckgrafik, dem Künstlerbuch und Performance-Kunst. Bekannt ist er darüber hinaus durch seine Beschäftigung mit der Sprache. Ulrichs setzt Tautologien, Paradoxien und Mehrdeutigkeiten in der Sprache künstlerisch um – z. B.: „''Am Anfang war das Wort am ''“ – sowie verbale Begriffe, meist in Form von Plastiken oder Installationen.
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Kontinuierlich hat '''Ulrichs''' auch Kunst im öffentlichen Raum betrieben. Große, oft themen- und standortbezogene Plastiken von '''Ulrichs''' sind zu sehen u. a. vor dem Magdeburger Hauptbahnhof (''Erd-Achse''), nahe der Münchner Allianz-Arena in Fröttmaning (''Versunkenes Dorf''), im Freilichtmuseum Middelheim in Antwerpen (''Musterhäuser, Typ Bomarzo''), in der Altstadt von Recklinghausen (''Das Ganze und die Teile''), in Bergkamen (''Pyramide zum Mittelpunkt der Erde''), in Mülheim/Ruhr-Styrum (''Zwischen den Zeilen''), in Sinsheim (''Hausgeburt''), vor der Galerie Nordhorn (''Der Findling''), in Essen etwa 150 m nordöstlich des Museum Folkwang (''UMRAUM'') und am Marktplatz Einbeck (''von null bis unendlich'').
  
Kontinuierlich hat Ulrichs auch Kunst im öffentlichen Raum betrieben. Große, oft themen- und standortbezogene Plastiken von Ulrichs sind zu sehen u. a. vor dem Magdeburger Hauptbahnhof (''Erd-Achse''), nahe der Münchner Allianz-Arena in Fröttmaning (''Versunkenes Dorf''), im Freilichtmuseum Middelheim in Antwerpen (''Musterhäuser, Typ Bomarzo''), in der Altstadt von Recklinghausen (''Das Ganze und die Teile''), in Bergkamen (''Pyramide zum Mittelpunkt der Erde''), in Mülheim/Ruhr-Styrum (''Zwischen den Zeilen''), in Sinsheim (''Hausgeburt''), vor der Galerie Nordhorn (''Der Findling''), in Essen etwa 150 m nordöstlich des Museum Folkwang (''UMRAUM'') und am Marktplatz Einbeck (''von null bis unendlich'').
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Ab [[1968]] begann '''Ulrichs''' Installationen für eine Fotoserie unter dem Titel „Fotografieren verboten“, die er über mehrere Jahre fortführte.
  
Ab 1968 begann Ulrichs Installationen für eine Fotoserie unter dem Titel „Fotografieren verboten“, die er über mehrere Jahre fortführte.
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'''Timm Ulrichs’''' kritische Sicht auf den zeitgenössischen Kunstbetrieb führte bereits auf dem ersten Internationalen Kunstmarkt Köln (IKM) [[1975]] zu dessen Aktion ''Ich kann keine Kunst mehr sehen''. '''Ulrichs''' persiflierte, mit Blindenstock und Armbinde auftretend, die nach seinen eigenen Worten „immer weiter um sich greifenden musealen Friedhöfe“.
  
Timm Ulrichs’ kritische Sicht auf den zeitgenössischen Kunstbetrieb führte bereits auf dem ersten Internationalen Kunstmarkt Köln (IKM) 1975 zu dessen Aktion ''Ich kann keine Kunst mehr sehen''. Ulrichs persiflierte, mit Blindenstock und Armbinde auftretend, die nach seinen eigenen Worten „immer weiter um sich greifenden musealen Friedhöfe“.
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[[2012]] wurde '''Timm Ulrichs''' in die Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt aufgenommen.
 
 
2012 wurde Timm Ulrichs in die Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt aufgenommen.
 
 
 
== Ulrichs' Tätowierungen ==
 
Im Jahr 1974 lässt Ulrichs sich im Goethe-Institut in Barcelona über dem Herzen eine Zielscheibe tätowieren; er „tätowierte sich zur lebenden Zielscheibe“.<ref>[http://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/wer-nicht-denkt-fliegt-raus-id315164.html Marianne Winter in Braunschweiger Zeitung: ''Wer nicht denkt, fliegt raus! Eine Ausstellung im Kunstmuseum Celle vereint die Kunst-Rebellen Joseph Beuys und Timm Ulrichs ''] Abgerufen am 29. Juni 2012</ref> Die Tätowierung wurde von Ramón Draper<ref>Katinka Dittrich van Weringh: ''Wann vergeht Vergangenheit?'' Weilerswist-Metternich 2017, S. 42</ref>, einem spanischen Fremdenlegionär durchgeführt; „mehr gerissen als gestochen“. Ulrichs wollte, nach eigenem Bekunden, „mit einem politischen Manifest die Gegner des Franquismus unterstützen.“<ref>{{Internetquelle| url=http://www.ardmediathek.de/radio/Eins-zu-Eins-Der-Talk/Timm-Ulrichs-Totalkünstler-11-04-2017/Bayern-2/Audio-Podcast?bcastId=5926032&documentId=42096692| titel=Timm Ulrichs, Totalkünstler| autor=Norbert Joa| werk=ardmediathek.de| datum=11. April 2017| zugriff=2017-07-10| offline=ja| archiv-bot=2019-05-18 16:25:05 InternetArchiveBot}}</ref> Die Idee zu dieser Aktion stammt aus dem Jahr 1971.<ref>[https://www.staatsgalerie.de/g/sammlung/sammlung-digital/einzelansicht/sgs/werk/einzelansicht/F725606E4C812B5819B9C698FF4421E4.html ''Timm Ulrichs als lebende menschliche Zielscheibe'', 1971/1974]</ref>
 
Bilder der von Streckenbach nachbearbeiteten Zielscheibentätowierung<ref>Zwei Bildabzüge: „Nachtätowierung“ durch Horst Streckenbach/Frankfurt|Leihgaben der TATTOO-COLLECTION-KOHRS.</ref><ref>Lt. Scheiben von Timm Ulrichs an das MHG vom 14. November 2019 ''"…als Samy die in Barcelona gestochene Zielscheibe retuschiert und nachgezeichnet hat (Sie stammt also nicht von ihm in Gänze.)''</ref> werden erstmals im Rahmen der Sonderausstellung ''Tattoo-Legenden. Christian Warlich auf St. Pauli'' (2019/20), Abteilung ''Streckenbach-Kohrs-Ulrichs'', im Museum für Hamburgische Geschichte gezeigt.<ref>{{Internetquelle |autor=Stiftung Historische Museen Hamburg |url=https://shmh.de/de/tattoolegenden-christian-warlich-auf-st-pauli |titel=Tattoo-Legenden. Christian Warlich auf St. Pauli |werk=Ruhr-Universität Bochum Wortmarke |datum=2018-04-11 |abruf=2019-07-29}}</ref>
 
{{Zitat|tätowierungen interpretieren menschliche haut als schreib- und mal-fläche, als ‚shaped canvas‘, die auf den skelettrahmen des körpers hauteng und hautnah aufgespannt ist. kunst und literatur, so auf den leib geschrieben und ins fleisch geschnitten, sind da tatsächlich fleisch geworden in unmittelbarer, einfleischender ‚inkarnation‘: „das wort ward fleisch“ (joh. 1, 14). ein ‚bild-träger‘, der auf diese weise ein für allemal gezeichnet und gekennzeichnet ist, trägt seine (kunst-)haut allemal bekenntnishafter zu markte als ein normaler kunstsammler, der sich von seinen bildern leicht wieder trennen kann.|Timm Ulrichs 1974<ref>Caroline Rosenthal, Dirk Vanderbeke: ''Probing the Skin: Cultural Representations of Our Contact Zone.'' Cambridge Scholars Publishing 2015, ISBN 1-443-8751-8X, S.&nbsp;274.</ref>}}
 
 
 
Im Rahmen der Ausstellung „Timm Ulrichs: Tätowier-Bilder“ (12. Januar – 9. März 1975) im Kunstverein Hannover, fand am 26. Januar 1975 eine Tätowier-Aktion statt, auf der Horst Streckenbach, neben sechs weiteren Personen, sein späteres Mentee Manfred Kohrs vor laufender Kamera des NDR tätowierte. Eine Auswahl an Standard-Tätowiermotiven wurde 1975 von der Kestnergesellschaft- Hannover als Siebdruckmappe (limitiert 1-100/100, sign., dat. und nummeriert, 60 × 60 cm), herausgegeben. Am 28. Januar 1975 berichtete der NDR in der Sendung Nordschau-Magazin über das „Happening im Kunstverein Hannover. „Sammy“ aus Frankfurt über seine Kunst und das Tätowieren“.<ref>Vollinformation des NDR – Produktionsnummer 0007750128, NDR HH Medienbegleitkarte 12. Dezember 2008 St. (1, 2)
 
 
 
Zuletzt ließ er sich am 9. Dezember 2005, durch die Tätowiererin Manuela Langner -Tattoo-Studio sweet Pain Kassel-, an den Unterschenkel den Schriftzug „© by Timm Ulrichs“ tätowieren. Auch über diese Aktion wurde ein Film von fünf Minuten Länge gefertigt.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/kultur/ausstellung-timm-ulrich-die-kunst-der-egomaie-1.1038245-3 sueddeutsche.de: ''Ausstellung: Timm Ulrichs – Die Kunst der Egomanie ''] Abgerufen am 28. Juni 2012</ref><ref>Timm Ulrichs: ''Betreten der Ausstellung verboten'', Hrsg. [[Kunstverein Hannover]] und Sprengelmuseum Hannover, 2011, S. 170</ref>
 
 
 
== Siehe auch ==
 
* [https://de.wikipedia.org/wiki/Timm_Ulrichs Artikel "Timm Ulrichs" bei Wikipedia]
 
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
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== Weblinks ==
 
== Weblinks ==
 
* ''[https://www.ndr.de/ndrkultur/Feature-Wetterleuchten-in-Utopia,audio657320.html Wetterleuchten in Utopia]''. Radio-Feature über Timm Ulrichs, NDR 2010, 54 Minuten
 
* ''[https://www.ndr.de/ndrkultur/Feature-Wetterleuchten-in-Utopia,audio657320.html Wetterleuchten in Utopia]''. Radio-Feature über Timm Ulrichs, NDR 2010, 54 Minuten
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* {{Wp|Timm_Ulrichs|Timm Ulrichs}}
  
== Quelle ==
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{{Vorlage:Aus Wikipedia|Timm_Ulrichs|Timm Ulrichs}}
Dieser Artikel basiert auf dem Artikle "Münster-Uppenberg" bei Wikipedia und unterliegt einer entsprechenden Lizenz:
 
* [https://de.wikipedia.org/wiki/Timm_Ulrichs Artikel "Timm Ulrichs" bei Wikipedia]
 
  
 
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[[Kategorie:Konzeptkünstler]]

Aktuelle Version vom 11. Februar 2024, 19:41 Uhr

Timm Ulrichs (* 31. März 1940 in Berlin) ist ein deutscher Künstler und emeritierter Professor.

Biographie

Timm Ulrichs verlebte die frühe Kindheit in Bremen. Die Mutter war Stenotypistin und der Vater, der in Südafrika geboren war und eine englische Mutter hatte, technischer Zeichner. Die Familie wurde 1943/44 nach Prenzlau evakuiert, bis die Russen kamen, floh dann in die amerikanische Zone. Die Mutter und vier Kinder schafften es bis ins Oldenburger Land, in die Nähe von Wildeshausen. In der Nähe von Dötlingen erlebten sie das Kriegsende mit. 1954 zog die Familie nach Bremen, wo Ulrichs 1959 das Abitur ablegte. Er begann anschließend ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Hannover, das er 1966 nach dem Vordiplom abbrach. Er war zunächst als freier Künstler aktiv, jobbte als Eisverkäufer und Tellerwäscher.

Bereits 1961 gründete Ulrichs eine „Werbezentrale für Totalkunst & Banalismus“ mit „Zimmer-Galerie & Zimmer-Theater“. 1969 kam eine „Kunstpraxis (Sprechstunden nach Vereinbarung)“ dazu. Da er mit Galeristen nicht zurechtkam, verkaufte er Plakate, Postkarten, Flugblätter und Drucksachen selbst. 1968 bezeichnete er sich selbst als „zu Unrecht verkanntes Genie aus Hannover“. „Künstler wird man durch Entschluss, nicht durch Talent“, bekannte Ulrichs am 6. September 1985 gegenüber dem Zeit Magazin.

Als selbsternannter „Totalkünstler“ ist Ulrichs seit 1959 aktiv. In diesem Jahr gründete Ulrichs die „Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus“ in Hannover, die zur Verbreitung, Entwicklung und Produktion von Totalkunst dienen sollte. Weiterhin erklärte er sich 1961 zum „ersten lebenden Kunstwerk“ und organisierte 1966 eine öffentliche „Selbstausstellung“ in Frankfurt am Main. Ulrichs war von 1969 bis 1970 Gastprofessor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und von 1972 bis 2005 Professor für Bildhauerei und Totalkunst an der Kunstakademie Münster.

Seine erste Totalkunst-Retrospektive fand 1970 in Krefeld statt, sieben Jahre später war er Teilnehmer der Documenta 6 in Kassel. Große Einzelschauen fanden 1980 in Lüdenscheid, 1991 in Madrid und Recklinghausen, 2001 in Antwerpen (Plastik und Skulpturen) sowie 2002 in Hannover (Druckgrafik) statt.

Vom 28. November 2010 bis zum 13. Februar 2011 widmeten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover „dem Pionier der Konzeptkunst und selbst ernannten «Totalkünstler» Timm Ulrichs“ eine große Retrospektive unter dem Titel Betreten der Ausstellung Verboten.

Im Januar 2020 wurde Ulrichs für sein Lebenswerk mit dem Käthe-Kollwitz-Preis geehrt. Unter dem Titel „Weiter im Text“ präsentierte die begleitende Ausstellung in der Akademie der Künste „einen viel zu kleinen Ausschnitt“ seines Œuvres. Eine weitere Ausstellung im März im Haus am Lützowplatz unter dem Motto „Ich, Gott und die Welt“ sollte in 100 Tagen um je eine Arbeit wachsen und so einen wirklichen Überblick über sein Werk vermitteln.

Ulrichs ist verheiratet, seine Frau lebt in Berlin.

Werk

Ulrichs arbeitet interdisziplinär. Er ist ein Vertreter von Neodadaismus, Body Art und Konzeptkunst. Ebenfalls beschäftigt sich Ulrichs mit Druckgrafik, dem Künstlerbuch und Performance-Kunst. Bekannt ist er darüber hinaus durch seine Beschäftigung mit der Sprache. Ulrichs setzt Tautologien, Paradoxien und Mehrdeutigkeiten in der Sprache künstlerisch um – z. B.: „Am Anfang war das Wort am …“ – sowie verbale Begriffe, meist in Form von Plastiken oder Installationen.

Kontinuierlich hat Ulrichs auch Kunst im öffentlichen Raum betrieben. Große, oft themen- und standortbezogene Plastiken von Ulrichs sind zu sehen u. a. vor dem Magdeburger Hauptbahnhof (Erd-Achse), nahe der Münchner Allianz-Arena in Fröttmaning (Versunkenes Dorf), im Freilichtmuseum Middelheim in Antwerpen (Musterhäuser, Typ Bomarzo), in der Altstadt von Recklinghausen (Das Ganze und die Teile), in Bergkamen (Pyramide zum Mittelpunkt der Erde), in Mülheim/Ruhr-Styrum (Zwischen den Zeilen), in Sinsheim (Hausgeburt), vor der Galerie Nordhorn (Der Findling), in Essen etwa 150 m nordöstlich des Museum Folkwang (UMRAUM) und am Marktplatz Einbeck (von null bis unendlich).

Ab 1968 begann Ulrichs Installationen für eine Fotoserie unter dem Titel „Fotografieren verboten“, die er über mehrere Jahre fortführte.

Timm Ulrichs’ kritische Sicht auf den zeitgenössischen Kunstbetrieb führte bereits auf dem ersten Internationalen Kunstmarkt Köln (IKM) 1975 zu dessen Aktion Ich kann keine Kunst mehr sehen. Ulrichs persiflierte, mit Blindenstock und Armbinde auftretend, die nach seinen eigenen Worten „immer weiter um sich greifenden musealen Friedhöfe“.

2012 wurde Timm Ulrichs in die Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt aufgenommen.

Literatur

  • Franz Billmayer: Ich kann keine Kunst mehr sehen …. In: Grünewald, D. (Hrsg.): Kunst + Unterricht: (Sammelband) Lernen in Praxisprozessen. Friedrich Verlag, Velber 1996. S. 73 f.
  • Ludger Fischer: Timm Ulrichs setzt sich durch. In: Timm Ulrichs macht mobil. Möbel-Skulpturen und -Installationen, Freiburg 1999, S. 147–148. Gleichzeitig Ausst.-Kat. Atelierhaus Aachen.
  • Bernhard Holeczek: Timm Ulrichs. Braunschweig 1982.
  • Jürgen Raap: Timm Ulrichs. In: Kunstforum international, Bd. 126, 1994.
  • Rita Schoeneberg: Timm Ulrichs, in dies.: 13 von 500000 Menschen aus Hannover, Hamburg: Urban-Verlag, 1999, ISBN 3-924562-04-0, S. 101–111.
  • Christine Korte-Beuckers: Kommunikationskonzepte in der Objektkunst der 1960er Jahre. Theorie der Gegenwartskunst, Bd. 13. Lit Verlag, Münster/Hamburg/London 1999.
  • Matthias Reichelt: Totalkunst im Grünen (Timm Ulrichs). In: Kunstforum international, Bd. 157, 2001
  • Tigo Zeyen, Anne Weber-Ploemacher (Hrsg.), Joachim Giesel (Fotos): 100 hannoversche Köpfe, Hameln: CW Niemeyer Buchverlage, 2006, ISBN 978-3-8271-9251-6 und ISBN 3-8271-9251-X, S. 188f.
  • Ansgar Schnurr: Timm Ulrichs´ künstlerische Forschungen in kunstdidaktischem Erkenntnisinteresse. In: Blohm, Manfred (Hg.): Kurze Texte zur Kunstpädagogik. Flensburg 2008, S. 71–76.
  • Ansgar Schnurr: Über das Werk von Timm Ulrichs und den künstlerischen Witz als Erkenntnisform. Analyse eine pointierten Vermittlungs- und Erfahrungsmodells im Kontext ästhetischer Bildung. Norderstedt, 2009.
  • Thomas Deecke: Die Vermessenheit des Timm Ulrichs. In: Timm Ulrichs: „Blick zurück nach vorn“, Hrsg. Museum Ritter/Gerda Ridler, Heidelberg 2010. ISBN 978-3-88423-347-4.
  • Helmut G. Schütz: Von der zweifelhaften Evidenz des Sichtbaren. Zu Timm Ulrichs' Landschafts-Epiphanien. Mannheim 2012
  • Robert Jelinek: Timm Ulrichs, Hrsg. Der Konterfei 05, Wien 2014. 56 Seiten. ISBN 978-3-9503749-4-0.
  • Lambert Wiesing: Blau von Timm Ulrichs. In: Lambert Wiesing: Phänomene im Bild. München 2000, S. 139–148.
  • Robert Jelinek: Timm Ulrichs – Auf der Überholspur, Hrsg. Der Konterfei 016, Wien 2015. 56 Seiten. ISBN 978-3-903043-05-3.

Weblinks


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