Observantenkirche

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Die Observantenkirche an der Schlaunstraße, eine Saalkirche mit Sandsteinfassade, ist die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner-Observanten, fertiggestellt 1698. Im frühen 19. Jahrhundert säkularisiert, dient sie seit 1961 als evangelische Universitätskirche.

Architektur und Ausstattung

Die Architektur der Saalkirche aus Backstein mit einem (nunmehr modernen) Dachreiter stammt vom Ende des 17. Jahrhunderts, der Bau selbst außer der Fassade wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder errichtet. Die Kirche zeigt im Außenbau mit Ausnahme der Fassade eine sehr sparsame Bauzier, Backstein und die gotisierenden Fenster mit ihrem Maßwerk bestimmen den Eindruck. Das aufgehende Mauerwerk steht auf einem Sockel aus Bruchsteinen. Strebepfeiler stützen wie in einer gotischen Kirche den Chor. Die Strebepfeiler des Langhauses sind in den Raum eingezogen, so dass dieses so breit ist wie der Chor mit seinen Pfeilern.

Die Fassade aus Baumberger Sandstein weist zwei große Pilaster mit ungewöhnlich hohen Sockeln auf, die die Breite des Kirchenschiffs innerhalb der eingezogenen Stützpfeiler markieren. In ihrer Mitte beherrscht ein großes Rundbogenfenster mit gotischem Maßwerk den unteren Teil der Fassade, neben ihm befinden sich zwei Nischen. Das Hauptportal mit der Illustration des Gleichnisses von der königlichen Hochzeit[Anm. 1] wurde von Ulrich Henn 1960 angefertigt. Die Giebelzone weist eine Aedicula mit einer Nische auf.

Der Innenraum besteht aus einem Langhaus von sechs Gewölbejochen und dem Chorraum mit zwei Jochen und Fünfachtelschluss[Anm. 2]. Die rechteckigen eingezogenen Stützpfeiler mit Pilastern tragen ein Kreuzgratgewölbe. Die Räume zwischen den Pfeilern sind mit je einem Spitztonnengewölbe gedeckt, die Pfeiler weisen Durchgänge auf.

Von der ursprünglichen prächtigen barocken Inneneinrichtung ist nichts mehr vorhanden. Das Kanzelrelief in Kalkstein mit dem Thema “Petri Fischzug” wurde 1960 von der Hamburger Bildhauerin Maria Pirwitz gefertigt.[Anm. 3]

Die Kirche ist mit dem Chor nach Norden ausgerichtet. Sie hat außen ohne Strebepfeiler eine Länge von 53,4 m und eine Breite von 17 m. Die Gewölbe sind an ihren Kappen 16, 5 m hoch. [Anm. 4]

Als Architekt gilt der Jesuitenbruder Anton Hülse. Drei seiner anderen Werke, damals Jesuitenkirchen, zeigen deutliche Parallelen zur Observantenkirche:

  • die Marktkirche in Paderborn mit ihrer Fassade, man beachte die Gliederung durch die großen Pilaster und deren hohe Sockel sowie das große Mittelfenster mit Maßwerk,
  • die Jesuitenkirche, heute evangelisch-lutherische Kirche, zu Coesfeld mit den eingezogenen Strebepfeilern ihres Langhauses,
  • die heutige Marienkirche in Siegen mit ihren Durchgängen in den eingezogenen Strebepfeilern. [Anm. 5]

Geschichte

Orden und Kloster

1613 erhielten die Franziskaner-Observanten, Barfüßer genannt, die Erlaubnis, sich in Münster anzusiedeln. Sie fanden Unterkunft in der Johanniterkommende nördlich der Bergstraße. Seit 1645 errichteten sie ihre Klostergebäude auf dem 20 Jahre vorher erworbenen Grundstück südlich der Bergstraße, welches sich bis zu etwa 70 bis 100 m östlich der heutigen Kirche erstreckte. [Anm. 6] Im Kloster logierte während der Friedensverhandlungen 1645 bis 1648 Gaspar de Bracamonte y Guzmán, Conde de Peñaranda, Vertreter Spaniens bei den Friedensgesprächen. Er spendete dem Kloster 4400 Taler.[Anm. 7] Zunächst nutzten die Mönche noch die Kapelle der Johanniterkommende für den Gottesdienst.

Bau der Kirche

Vorbereitung

Nachdem sich der zunächst gewählte Platz für eine Kirche an der Ostseite des Klosterbezirks wegen der damals dort entlangfließenden Aa als zu sumpfig erwies, beschlossen die Observanten, sie im Westen des Klosterbezirks zu errichten. Dennoch musste man den Baugrund wegen seiner Sumpfigkeit mit je 16 großen Eichenpfählen mit einer Auflage aus dicken Brettern unter jedem Pfeiler stabilisieren. Zwischen die Pfeiler wurden Steinbögen gemauert, die die Wände trugen. Diese Konstruktion erwies sich noch bei einer Überprüfung während des Zweiten Weltkrieges als stabil, erst 1982 wurden die Fundamente neu unterfangen[Anm. 8]. Dazu kauften die Franziskaner ein Eichenwäldchen bei Albersloh. Auch förderte die Jungfrau Anna Menedora Schwering, eine Tertiarin[Anm. 9] des Franziskanerordens, mit einer Spende von 6000 Talern den Kirchenbau.

Planer und Erbauer

Die Bauleitung übernahm der Zimmermann und Laienbruder der Jesuiten Anton Hülse, Architekt der Kirchen in Coesfeld, Paderborn, Siegen und des Ursulinenklosters in Köln.[Anm. 5] Sein Nachfolger war der Franziskaner-Laienbruder Johann Bawr[Anm. 10] aus dem Elsaß, der auch das (heute verlorene) Portal der Kirche gestaltete.

Die Laienbrüder der Franziskaner waren an dem Bau beteiligt, beispielsweise brannte Bruder Martinus de Buis den Kalk in der Nähe von Altenberge, auch gelang es ihm, dort Steine für das Fundament zu brechen. Die Franziskaner haben wohl auch ihre Glocken selbst gegossen, jedenfalls beschwerte sich der Rat der Stadt Münster 1650, dass die "Barfüßer Glocken gegen Belohnung" gegossen hätten. Laienbrüder fertigten auch das Chorgestühl.

Zum Brennen der Ziegel schlossen die Brüder 1690 nach einem misslungenen Arrangement einen Vertrag mit dem Ziegelmeister Theodor von Wolbeck. Sein Ofen, der 16000 Ziegel fasste, wurde sieben Jahre lang sechs bis sieben mal im Jahr aktiviert.

Bau, Ausstattung und Weihe

Der erste Eichenpfahl wurde am 9. August 1687 in die Erde getrieben. Frühjahr 1690 wurden die Basen der Pfeiler hochgezogen, im Juni legte Rotger Hönig, der Dechant von St. Ludgeri, den Grundstein. Im Jahr 1694 war der Außenbau mit dem Dach weitgehend fertig, so dass der Laienbruder Petrus Vogt den Dachreiter aufsetzen konnte. Nun machte man sich an den Bau des Gewölbes. Auch in den beiden Jahrzehnten nach der Weihe 1698 wurde an der Einrichtung der Kirche gearbeitet.

Der Hochaltar, der die ganze Höhe des Kirchenschiffs einnahm, und das in Antwerpen gemalte 200 Taler teure Altarbild waren Schenkungen des Fürstbischofs von Münster, Friedrich Christian von Plettenberg. Die Fenster wurden von den Fürstbischöfen von Münster und von Hildesheim[Anm. 11] sowie den Domherren gestiftet. Die Orgel fertigte 1697 Meister Nikolaus Braunschweig.

1698 wurden drei Glocken geweiht. Einige Jahre später erhielt die Kirche noch weitere zwei.

Am 28. Oktober 1698 wurde die Kirche der heiligen Dreifaltigkeit, der heiligen Maria und des heiligen Antonius von Padua von dem Osnabrücker Weihbischof Otto von Gronsfeld und Brunckhorst [Anm. 12] konsekriert.

19. bis 40er Jahre des 20. Jahrhunderts: Säkularisierung und Umnutzung

Schon unter den Preußen, die Münster 1802 besetzten, drohte die Säkularisierung des Klosters. Nachdem die Truppen Napoleons die Stadt einnahmen, wurden 1807 Räume des Klosters als französische Kaserne genutzt. Am 14. September 1811 wurde der Konvent aufgehoben und das Inventar der Kirche versteigert. Die Statuen des Franziskus, des Antonius und der Maria wurden aus den Nischen der Fassade entfernt. 1819, nunmehr wieder unter preußischer Hoheit, wurde der Dachreiter abgerissen und das Portal entfernt.

Holzdecken wurden eingezogen, bis zum Ersten Weltkrieg wurde das Gebäude im Erdgeschoss als Pferdestall und oben als Mannschaftsunterkunft der Reitenden Artillerie genutzt.

1914 verhandelte der Militärfiskus mit der Stadt Münster über den Verkauf der Kirche. Die Stadt hatte vor, diese abzureißen und so neuen Bauraum zu gewinnen, der veräußert werden konnte, und auch die Verkehrsführung zu verbessern. Um den Bau zu retten, entstand der Vorschlag, ihn zur katholischen Garnisonskirche zu machen. Der Kriegsminister stimmte zu, der Reichstag beschloss nach einem Bericht von Matthias Erzberger mit Erläuterungen des Abgeordneten Engelbert von Kerckerinck zur Borg, den Bau aus den Verkaufsverhandlungen herauszunehmen und zur katholischen Garnisonskirche zu machen. Der Erste Weltkrieg verhinderte die Ausführung des Plans, die Stadt blieb Eigentümer. [Anm. 13]

Von 1920 bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges lagerte das Stadttheater hier Kulissen und Requisiten. Ein Photo von 1926 zeigt die Gewölbezone nach Süden mit eingezogener Decke [Anm. 14].

Zerstörung und Wiederaufbau

1944 und 1945 wurde das Gebäude mit Ausnahme der Fassade stark zerstört. Der damalige Landeskonservator Wilhelm Rave ließ die Bausubstanz sichern. Die Stadt Münster überließ das Gebäude der Westfälischen Wilhelms-Universität, die es bis heute als evangelische Universitätskirche nutzt.

Von 1958 bis 1961 wurde der Bau unter der Leitung des damaligen Chefs des Universitätsneubauamtes, Oberbaurat Johannes Erdmann renoviert. Der in Münster geborene Kultusminister Werner Schütz förderte den Wiederaufbau und die Restaurierung, auch der Münsteraner Professor Robert Stupperich [Anm. 15] engagierte sich.

Die drei Glocken, die heute im Dachreiter hängen, wurden 1959 gefertigt: [Anm. 19]

  • Glocke I, Ø 800 mm, Schlagton h’ + 3
  • Glocke II, Ø 669 mm, Schlagton d“ + 5
  • Glocke III, Ø 585 mm, Schlagton e“ + 7

1960 fertigten der Stuttgarter Künstler Ulrich Henn das Hauptportal sowie das Portal der Sakristei und die Hamburger Bildhauerin Maria Pirwitz das Kanzelrelief “Petri Fischzug”.

Im Mai 1961 bezog die evangelische Universitätsgemeinde die Kirche. 1962 erhielt die Kirche ihre Orgel, gefertigt von Paul Ott. Sie ist zweigeteilt, um das große Fenster nicht zu verdecken. 1984 kam noch die Chororgel hinzu, ebenfalls von Paul Ott. (Weblink)

Heute

Heute ist die ehemalige Observantenkirche neben ihrer gottesdienstlichen Bestimmung der Ort der bekannten Observantenkonzerte. Hier üben die Studentenkantorei und der Kammerchor der Universität. (Weblink)

Mit dem Konzert "König David" von Arthur Honegger und einem späteren feierlichen Kantatengottesdienst wurde 1998 die das 300-jährige Jubiläum der Weihe der Observantenkirche gefeiert. [Anm. 16]

Die Frage nach dem Eigentümer der Kirche stellte sich 2009: Bis 2001 gehörte das Gebäude zur Universität, also unterstand es dem Wissenschaftsministerium. Als 2001 die Zuständigkeit für Kirchen dieser Art zum Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen wechselte, wurde die Observantenkirche offenbar vergessen, so dass offiziell niemand für das Haus zuständig ist. [Anm. 17]

Am 1. August 2010 wurde die 58. Internationale Orgeltagung der Gesellschaft der Orgelfreunde mit über 250 Teilnehmern aus verschiedenen Ländern in der Observantenkirche eröffnet. [Anm. 18]

Einzelnachweise

Quellen

  • Theodor Rensing: Zur Kunstgeschichte der Observantenkirche in: Westfalen. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumkunde Westfalens, (...), 20. Band 1935; Aschendorff, Münster S. 131 - 134 ISSN 0043-4337
  • Max Geisberg: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Bd. 41. Die Stadt Münster. Teil VI: Die Kirchen und Kapellen ausser dem Dom Aschendorff Verlag, Münster 1941 S. 264 - 269 ISBN 3-402-05095-1
  • (Vor allem für die Zeit der Säkularisierung bis 1961:) Klaus Gruna: Die Observantenkirche in: Das schöne Münster, Heft 32 (1962) : Die alten Kirchen Münsters. St. Ludgeri und die Observantenkirche S. 17 - 28

Weblinks