Täuferreich von Münster
Das Täuferreich von Münster war in den 1530er Jahren in Münster (Westfalen) die sich zunehmend radikalisierende Herrschaft reformatorisch ausgerichteter Teile der Stadt um den Prediger Bernd Rothmann hin zu einem apokalyptisch-chiliastischen Regime, das unter dem Eindruck der militärischen Einkesselung und Aushungerung durch katholische Truppen zu offener Gewalt griff. Es endete im Juni 1535 mit der Rückeroberung der Stadt durch den Fürstbischof Franz von Waldeck.
Innerhalb des im deutschsprachigen und niederländischen Raum bestehenden Täufertums nahm das Täuferreich von Münster eine Sonderrolle ein.
Inhaltsverzeichnis
Historischer und theologischer Kontext
Das Täufertum entwickelte sich in den 1520er Jahren ausgehend von ehemaligen Weggefährten Huldrych Zwinglis (Zürich) als radikaler Zweig der Reformation<ref>George Huntston Williams: The Radical Reformation; Sixteenth Century Essays and Studies, Truman State University Press 1992, ISBN 0940474158</ref> in verschiedenen gleichzeitigen Entwicklungssträngen in der Schweiz, Österreich, Süd- und Mitteldeutschland und etwas später auch im niederdeutschen Raum. Hier war es Melchior Hofmann, der täuferische Lehren aus dem spiritualistisch-endzeitlichen Milieu von Straßburg in die nördlicheren Gebiete brachte.<ref>Hans-Jürgen Goertz: Die Täufer. Geschichte und Deutung. München 1980. ISBN 3-406-07909-1 S. 12f.</ref> Hofmann trat 1530 erstmals in Emden als Täuferprediger in Erscheinung, später in Amsterdam. Durch ihn breiteten sich täuferische Lehren und Glaubensgemeinschaften im niederdeutschen Raum aus (Melchioriten). Die Amsterdamer Gemeinde wurde später von Jan Mathys übernommen.
Mit seiner Vorstellung eines theokratischen Zwischenreiches vor der Wiederkunft Christi nach einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und evangelischen Städten übte Hofmann einen starken Einfluss auf die Theologie der münsterschen Bewegung aus.<ref>Klaus Deppermann/Hans-Jürgen Goertz: Hoffman, Hof(f)mann, Melchior, in mennlex.de</ref> Er gilt als indirekter theologischer Wegbereiter des münsterschen Täuferreichs. Die apokalyptisch-chiliastische Botschaft seiner Schriften fiel hier zum Teil auf fruchtbaren Boden. Die sozialökonomische Lage der einfachen Bevölkerung des Münsterlands sowie „härteste Verfolgungen“, die sie von allen Seiten zu erdulden hatte, öffnete die Gläubigen zusätzlich für endzeitliche Anschauungen.
Geschichte
Reformationsbewegung in Münster
Dass ausgerechnet die Stadt Münster zum Schauplatz des Täuferreichs wurde, hing unter anderem mit den innerstädtischen Auseinandersetzungen zwischen den diese Stadt ausschließlich regierenden Erbmännerfamilien, Handwerkern und römisch-katholischem Klerus zusammen, die im Aufstand von 1525 ihren ersten Höhepunkt fanden. Die regierenden Stadträte, z. B. der angesehene, aber katholisch gesinnte Bürgermeister Everwin Droste zu Handorf und sein Vetter Johann Droste zu Hülshoff, die auch Schöffen des Viertels Überwasser waren, versuchten zu vermitteln, scheiterten aber, legten ihr Amt nieder und verließen die Stadt<ref>Kerssenbrock, Hermann von: „Die Raserei der Wiedertäufer, welche Münster, die berühmte Hauptstadt in Westphalen, zerstöret hat“, 1568.</ref>.
Ab 1531 verbanden sich die Handwerkergilden mit der noch jungen evangelischen Bewegung, die in Münster vor allem von Bernd Rothmann vertreten wurde. Rothmann wurde vom münsterschen Domkapitel mehrmals mit Predigtverbot belegt und schließlich des Landes verwiesen. Rothmanns inzwischen umfangreich gewordene Anhängerschaft, darunter auch wohlhabende Bürger, verhinderte dies aber. Bis zum Sommer 1532 setzte ein 70-köpfiger Ausschuss der städtischen Gildenversammlung evangelische Prediger an sämtlichen Stadtkirchen durch. Dieser Ausschuss, der in Münster ein Mitbestimmungsrecht gegenüber dem gewählten Stadtrat besaß, bestimmte bis 1533, als auch der Stadtrat evangelisch wurde, die Politik Münsters.
Die münstersche Reformationsbewegung schloss sich nicht der 1530 von lutherischen Reichsständen formulierten Confessio Augustana an, weshalb sie wenig Unterstützung durch bereits lutherisch gewordene Territorien erhielt. Die Bewegung konnte sich aber durchsetzen, da das Amt des Bischofs von Münster und Osnabrück und damit des Landesherrn kurz hintereinander dreimal neu besetzt wurde. Franz von Waldeck setzte sich erst im Frühsommer 1532 auf Dauer durch und konnte erst von diesem Zeitpunkt an gegen Münster vorgehen. Zunächst verhängte Waldeck ein Handelsverbot gegen die Stadt und ließ Vieh von münsterschen Bürgern beschlagnahmen. Im Gegenzug überfielen Münsteraner am 25. Dezember 1532 bischöfliche Berater, die in Telgte weitere Maßnahmen gegen die Stadt berieten, und brachten sie als Geiseln nach Münster. In dieser Lage wurde unter Vermittlung von Philipp von Hessen ein Kompromiss geschlossen: Der Fürstbischof akzeptierte die evangelischen Prediger in der Stadt, doch die Kirchen und Klöster mussten beim katholischen Ritus bleiben. Die Erbmänner erhielten wieder Einfluss.
Weblinks
- Wikipedia: Täuferreich von Münster