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Version vom 9. Februar 2023, 09:33 Uhr
St. Ludgeri ist einer der ältesten katholischen Sakralbauten in Münster unter dem Patrozinium des heiligen Ludger und entstand ab dem Jahr 1173.
Inhaltsverzeichnis
Gründung und Institutionsgeschichte
Erweiterung der Stadt Münster
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erfuhr Münster eine Erweiterung seines Stadtgebietes vor allem im südlichen und östlichen Bereich. Wohl durch die planerische Hand der Bischöfe zu Münster wurden im Südwesten die Pfarre St. Aegidii, im Süden St. Ludgeri, im Südosten St. Servatii und im Nordosten St. Martini gegründet. Alle neu entstandenen Pfarreien waren reine Stadtpfarreien.
Frühe Nachweise
Der älteste direkte Nachweis der Kirche St. Ludgeri ist für das Jahr 1173 überliefert. Ludwig I. von Wippra, Bischof zu Münster, gibt der Kirche St. Ludgeri, die zu seiner Zeit im südlichen Teil der Stadt Münster gegründet ist, das mansum in Wargebeke zur Ausstattung einer priesterlichen Präbende. 1178 vermachte Franco von Wettringen (de Weteringe) sein elterliches Erbe, welches ihm nach dem kinderlosen Tod seiner Brüder zugefallen war. An die neu errichtete Kirche St. Ludgeri in Münster gingen alle seine Güter im Kirchspiel Emsdetten (Thetten).
Die Gründung des Kollegiatstifts St. Ludgeri in der Zeit des münsterischen Bischofs Herman von Katzenelnbogen lässt sich zwischen 1178 und 1185 eingrenzen; die Gründungsurkunde ist nicht überliefert.
Verfassung
Der Propst (praepositus) war stets ein münsterischer Domherr. Er bezog jedoch keine Einkünfte, hatte weder Sitz im Chor noch Votum im Kapitel und blieb ohne Jurisdiktion.
Die eigentliche Leitung vor Ort hatte der Dechant/Dekan inne, er war seit Anfang des 13. Jahrhunderts auch Pfarrer der Gemeinde. Die Stiftung von 1173 bildete die Grundlage für das Dekanat. In späterer Zeit wurde er in dieser Aufgabe durch zwei Kapläne unterstützt. Der Senior war der Stiftsälteste und stand im Rang unmittelbar nach dem Dechant. Bei Abwesenheit des vorigen oder gar Vakanz dieses Amtes hatte der Senior die Leitung des Kapitels inne. Weitere stets genannte Ämter in einem Kollegiatstift sind der Thesaurar und der Scholaster. Der Thesaurar sorgte für die liturgische Ausstattung; er ist mit dem anfänglich noch genannten custos identisch. Später war er in erster Linie für die Vermögensverwaltung dieser Angelegenheiten zuständig; unterstützt wurde er später von zwei Küstern, die dann die gesamte eigentliche Arbeit verrichteten. Das Stift richtete aufgrund der Bestimmungen von Papst Innozenz III. (1198–1216) eine Scholasterei ein. Jedoch ist nur zu beobachten, dass der Scholaster diese Tätigkeit nicht selbst ausübte, sondern die Verwaltung dieses Vermögens innehatte und einen Schulrektor einstellte.
St. Ludgeri ist von vornherein mit einzelnen festen Stellen (Präbenden) ausgestattet worden, die nach und nach durch weitere Stiftungen vermehrt wurden. Ein gemeinsames Vermögen und eine zentrale Verwaltung desselben gab es nicht; jedem Kanoniker kamen feste Einkünfte aus seiner Präbende zu. Er wohnte in einem Kurienhaus in unmittelbarer Nähe der Kirche und führte seinen eigenen Haushalt. Mit der Stiftung von 1178 wurde die Voraussetzung für drei Präbenden geschaffen. Die weiteren Stiftungen erfolgten erst ab 1250. Noch später wurde die Zwölfzahl erreicht, die sich 1320 nachweisen lässt.
Die Vergabe dieser Präbenden übte zunächst der Bischof aus; mit dem Wiener Konkordat 1448 gewann der päpstliche Stuhl erheblichen Einfluss. Es hatte den Dom- und Stiftskapiteln das Kollationsrecht in den geraden, dem Apostolischen Stuhl in den ungeraden Monaten verbrieft. Die formelle Aufnahme eines Kandidaten geschah mit der Possessio, hierfür waren die Tonsur und die niederen WeihenWP Voraussetzung. Nach Absolvierung des Studiums erfolgte nach einigen Jahren die endgültige Aufnahme als vollwertiges Mitglied, die Emanzipation. Hierfür verlangte man in der Regel die Subdiakonatsweihe. Der nun emanzipierte Kanoniker hatte sodann Sitz im Chor, Votum im Kapitel und die Verfügung über seine Einkünfte. Die Mitgliedschaft endete zumeist durch Tod oder Resignation. Letztere geschah häufig zu Gunsten eines Verwandten. Gelegentlich ist auch die Permutation, das heißt der Stellentausch mit einem anderen Geistlichen an einer anderen Kirche zu beobachten. Ausschlüsse sind eher selten. In solchen Fällen legte man demjenigen die Resignation nahe.
Vikarien
Zur Unterstützung des Gottesdienstes und zum eigenen Seelenheil setzte die Stiftung von Vikarien ein. Einzelne Stifterfamilien sorgten mit einer entsprechenden finanziellen Ausstattung für die dauerhafte Versorgung eines Klerikers, der dann die laut Stiftungsurkunde zu haltenden Seelenmessen las. In St. Ludgeri setzte diese Entwicklung ab 1327 mit der Errichtung des Altars St. Jacobi ein. 1354 folgte St. Catharinæ, 1458 als Doppelstiftung St. Crucis und St. Jacobi min., 1461 St. Mariæ, 1481 St. Trinitatis, 1482 St. Sepulchri (aufgelöst 1671), 1493 die beiden Chorkaplaneien und schließlich 1509 die Vikarie in sanguine Mumme.
Aufhebung
Am 3. August 1802 marschierten preußische Truppen in das Fürstbistum Münster ein und nahmen es in Besitz. Schon zwei Monate später, am 16. Oktober 1802, verschaffte sich die neue Verwaltung einen ersten Eindruck über das Kollegiatstift St. Ludgeri. Es ist während der ersten preußischen Besatzung Münsters nicht säkularisiert worden. Erst aufgrund eines kaiserlich-französischen Dekrets vom 14. November 1811 erfolgte die Aufhebung am 2. Dezember 1811; das Protokoll ist überliefert. Danach war St. Ludgeri eine reine Pfarrkirche.
Fusion der Innenstadtgemeinden
Mit dem Beginn des neuen Kirchenjahres am 1. Advent wurden am 2. Dezember 2007 die Pfarrgemeinden St. Lamberti, St. Ludgeri und Aegidii sowie St. Martini zur neuen Pfarrgemeinde St. Lamberti zusammengelegt.
Baugeschichte und Architektur
Um das Jahr 1180 entstand als Nachfolger eines kurz zuvor angelegten ersten Bauwerks aus Holz der erste Bau von St. Ludgeri, der in seinen Grundzügen zu einem großen Teil erhalten geblieben ist. Somit entsprechen Mittelschiff sowie die beiden Seitenschiffe weiterhin dem ursprünglichen Bau. Die Fertigstellung fiel in den Zeitraum um das Jahr 1220.
Nachdem die Kirche beim Stadtbrand im Jahre 1383 Schaden genommen hatte, wurde sie in veränderter Form wiederaufgebaut. Der zunächst relativ kleine ChorWP auf der Ostseite wurde zu einem großen Hochchor erweitert. Da hierbei das Dach zusätzlich erhöht wurde, musste der im Zentrum der Kirche liegenden Vierungsturm ebenfalls erhöht werden. Der ursprünglich mit zwei romanischen Geschossen mit gekuppelten Fensteröffnungen aufwartende Turm wurde um eine Etage im Stile der Gotik aufgestockt. Diese ist mit Blendquadern und spitzbogigen Maßwerkfenstern versehen. Zusätzlich bekam der Vierungsturm noch ein durchsichtiges Obergeschoss mit einer Maßwerkgalerie und krabbenbesetzten Fialen als Verzierung.
Die beiden Westtürme des ursprünglichen Sakralbaus fielen ebenfalls dem Brand von 1383 zum Opfer, wurden aber erst 1876 ersetzt.
Die Kirche besitzt zwei Portale, die den Zugang zum Inneren erlauben. Das Südportal ist der übliche Zugang zum Gebäude und besitzt als Besonderheit eine Inschrift auf dem Türsturz aus dem Jahre 1537. Die Inschrift lautet „V.D.M.I.E Anno Domini 1537“ als Abkürzung für „Verbum Domini Manet In Aeternum Anno Domini 1537“. In der deutschen Übersetzung bedeutet der Satz „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit“. Es handelt sich um ein Zitat aus dem 1. Brief des Petrus, Kapitel 1, Vers 25, das für die ProtestantenWP programmatische Bedeutung hatte. Das Besondere dieser Inschrift ist das Datum ihrer Entstehung (1537). Denn bereits im Jahre 1535 war Münster nach einem kurzen reformatorischen Zwischenspiel unter Bernd Rothmann ab 1532 und der darauf folgenden Täuferherrschaft von 1534 bis 1535 nach Beschluss der Reichsstände wieder katholisch geworden.
Das Westportal wird dagegen nur bei feierlichen Liturgien verwendet. Es enthält seit dem Jahr 1861 ein TympanonWP mit dem thronenden Ludgerus in der Mitte, umgeben von der heiligen Heriburg zu seiner Rechten und dem Sänger und Dichter Bernlef. Letzterem soll nach Fürsprache des heiligen Ludgerus das Augenlicht geschenkt worden sein.
Innenarchitektur
Das Mittelschiff von St. Ludgeri besteht aus zwei JochenWP, denen auf westlicher Seite ein quadratisches Halbjoch vorgelagert ist. Auf östlicher Seite schließt sich das Vierungsquadrat an, dem außen der Vierungsturm aufgesetzt ist. Die Deckenkonstruktion besteht hier aus einem abgeflachten Kuppelgewölbe. Zu beiden Seiten des Mittelschiffes befinden sich Seitenschiffe. Aufgrund ihrer Höhe erlauben sie keine zusätzlichen Fenster im Mittelschiff.
Dem auf Höhe der Querschiffe angeordneten Vierungsquadrat folgten beim ursprünglichen Bau drei Apsiden. Die mittlere war größer als die beiden äußeren, da sie den Altar und das Chorgestühl aufnehmen musste. Nach dem Stadtbrand von 1383 wurden die Apsiden abgetragen und durch einen großen Chor im Stile der Gotik ersetzt, der zusammen mit dem Chor von St. Lamberti zu den bedeutendsten Werken der Gotik im Münsterland zählt. Neben den Fenstern mit eigenwilliger Farbgebung aus dem Jahre 1961 von Vincenz Pieper lässt die besondere Architektur ihn größer erscheinen, als er eigentlich ist. Während der im Westen eine Breite von 9,64 m aufweist, beträgt sie im Osten 10,15 m und erweckt so den Eindruck, als ob die perspektivische Verengung aufgehoben wird. Dem Chor schließt sich die nach dem Stadtbrand neu geschaffene Apsis an, deren Form aus sieben Kanten eines Zehnecks besteht. Besondere Ähnlichkeit besitzt diese Konstruktion mit dem Ostchor der Basilika St. AndreasWP in Köln.
Literatur
- Friedrich Wertebach: Geschichte des Kollegiatstiftes zum hl. Ludgerus zu Münster (Diss. phil. von 1939, Maschinoskript)
- Joseph Prinz: Die Anfänge des Ludgeriviertels und seiner Stiftskirche. In: 800 Jahre Sankt Ludgeri. Münster 1973, S. 9–33
- Jörg Wunschhofer: Das Kollegiatstift St. Ludgeri in Münster aus der Sicht eines preußischen Beamten im Jahre 1804. In: Jahrbuch für westfälische Kirchengeschichte. 2004, Bd. 99, S. 311–327* Klaus Gruna: Katholische Pfarrkirche St. Ludgeri Münster. Kunstführer Nr. 1675, 3. Auflage 2004, Verlag Schnell & Steiner GmbH.
- Westfälisches Urkundenbuch, Band III.
- Westfälisches Klosterbuch, Band 2, S. 49–53.
- Gertrud Mayr: Weihnachtskrippen in Münster (Dialogverlag, 2008), ISBN 978-3-937961-98-9
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